Mediendemokratie und Meinungsfreiheit im Brennpunkt

Screenforce-Expertenforum: Wie Marken jetzt Verantwortung übernehmen können

Welche Konsequenzen hat es für die Demokratie und die freie Marktwirtschaft, wenn wenige Big Tech-Companies das Internet beherrschen und die politische Meinungsbildung dominieren? Was können klassische Medien tun, um das Vertrauen der Menschen nicht zu verlieren und verloren gegangene Bevölkerungsgruppen zurückzugewinnen? Und wie können sich Marken gerade jetzt als Hoffnungsträger positionieren und Verantwortung übernehmen? Antworten auf diese und viele weitere Fragen gab es beim Screenforce-Expertenforum im März 2024. 

BIG TECH: DAS MONOPOL GEFÄHRDET MEDIEN, MÄRKTE UND DIE DEMOKRATIE

Dr. Martin Andree, Geschäftsführer AMP Digital Ventures veranschaulichte in seinem Vortrag "Game over, Democracy? Wie wir die freien Medien retten." eindrucksvoll die Dominanz der Big Tech-Companies. Trotz zahlreicher Web-Angebote von klassischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien, Unternehmen und Bloggern konzentriert sich der Großteil des Traffics auf die Angebote von Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft. Andree führt dies darauf zurück, dass weltweit kein fairer Wettbewerb bestände, sondern diese Big Five de facto durch Netzwerkeffekte und geschlossene Standards die Nutzer:innen an sich binden. Der zweite Punkt sei, dass es weder in Deutschland noch in der EU momentan Gesetze gebe, die Monopole entflechten oder zerschlagen könnten, um dadurch die Märkte wieder zu öffnen. In der Konsequenz seien dadurch auch die Finanzierungsmodelle der freien Medien gefährdet – und damit letztlich auch die Demokratie. Detaillierte Analysen zum Thema hat Andree im Buch "Big Tech muss weg!" (Campus, 2023) veröffentlicht. Darin stellt er auch ein ganzes Bündel an Maßnahmen vor, um die Märkte wieder zu öffnen. 

ANGST VOR UNSICHTBARKEIT UND ABSTIEG: EIN VIERTEL DER DEUTSCHEN SIND MEDIENAVERS 

Unter dem Titel "Medien zwischen Achtung & Ächtung" präsentierte Jens Lönneker, Geschäftsführer rheingold salon, die Ergebnisse einer Studie im Auftrag des BDZV und der Stiftervereinigung der Presse e.V. zu Medienaversion und Medienakzeptanz in Ost- und Westdeutschland. Hierfür wurden 40 Rezipient:innen und 20 Journalist:innen tiefenpsychologisch befragt, ergänzend wurden je 1.000 Personen in Ost- und Westdeutschland online befragt.  

Die gute Nachricht: 75 Prozent der Deutschen haben – mehr oder weniger großes – Vertrauen in die etablierten Medien, also lineares Fernsehen, Hörfunk, Zeitungen und die Online-Angebote dieser Medien im Web. Allerdings sind auch 25 Prozent der Deutschen als medienavers zu bezeichnen. Damit ist nicht gemeint, dass Inhalte der Medien kritisch reflektiert werden, sondern dass diese Menschen kaum mehr Vertrauen in die etablierten Medien haben. Medienaversion geht oft einher mit Systemkritik: 68% der Medienaversen fühlen sich von System und Politik allein gelassen. In den etablierten Medien finden sie sich mit ihren Anliegen und Perspektiven nicht mehr repräsentiert. 

Um sich Gehör zu verschaffen, setzen Medianaverse auf bestimmte "Reizthemen", bei denen mit Widerspruch zu rechnen ist. Lönneker spricht hier von der Falle der "Reizonalisierungs-Strategie": Eine sachliche Auseinandersetzung mit den Positionen der Medianaversen führe letztlich dazu, dass diese immer neue "Argumente" anführen.  

 

"Klassische Formen von rationaler Aufklärung gegen Reizthemen ist fruchtlos, weil sich diese Leute dagegen immunisiert haben, denn das eigentliche psychologische Motiv ist, Gehör zu finden." 
Jens Lönneker, Geschäftsführer rheingold salon 

 

Bei den befragten Medienaversen in Ostdeutschland sieht Lönneker primär als Ursachen eine andere, nicht-demokratische Medienhistorie und problematische Nachwende-Erfahrungen. Bei den Westdeutschen ständen hingegen Zukunftsängste und Sorgen um Entwicklungsperspektiven im Vordergrund. 

Was können Medien (und Marken) tun? Lönneker empfiehlt, diesen Menschen wieder mehr zuzuhören. Denn Zuhören ist psychologisch die erste Form der Zuwendung – und das sei eine Voraussetzung für Akzeptanz und ein Miteinander. Marken wiederum hätten in der Vergangenheit immer sehr stark die Differenzierung in den Vordergrund gestellt. Erfolgreiche Marken hätten aber immer auch das Potenzial, zu vereinen. So zeigt auch das Edelman Trust Barometer im Jahr 2022, dass die Mehrheit der Befragten der Regierung und den Medien eher gesellschaftsspaltende Fähigkeiten zuschreibt, während Marken eher als einheitsstiftend wahrgenommen werden. 

GESELLSCHAFTLICHE VERANTWORTUNG WAHRNEHMEN

Die wertvollste Marke in Deutschland ist die Deutsche Telekom. Dr. Christian Hahn, VP Marketing Communications Strategy & Media bei Deutsche Telekom AG, zeigte am Beispiel der Initiative „Gegen Hass im Netz", wie Marken verantwortungsvoll handeln und gemeinschaftsstiftend wirken können. Die Deutsche Telekom stehe für Vielfalt, für Gemeinschaft, für Toleranz und Offenheit, für das, was Menschen verbinde. Aber natürlich würde die Netzinfrastruktur auch für Hass missbraucht – doch hier positioniere sich das Unternehmen klar gegen Manipulation, gegen Ausgrenzung und Hass im Netz. 

In mehreren Kampagnen – Online, im TV und Radio und bei Aktionen mit dem langjährigen Partner FC Bayern München – hat die Deutsche Telekom seit 2020 immer wieder Position bezogen. Hierzu wurden die vielfältigen Formen von Hass und Diskriminierung gezeigt (im TV-Spot z.B. in Form realer Hass-Postings) und gleichzeitig herausgestellt, dass sich die große Mehrheit der Menschen mit den Opfern solidarisiert.  

Inzwischen kennt jede:r Zweite in Deutschland die Initiative "Gemeinsam gegen Hass im Netz", für die die Deutsche Telekom rund 40 Partnerunternehmen gewinnen konnte. Allein im Jahr 2023 haben 5,7 Millionen Menschen davon profitiert, z.B. in Form von Schulungen zum Umgang mit Hassbotschaften. Und natürlich hat die Kampagne auch bewusst gemacht, wie leicht es ist, auch im digitalen Raum Zivilcourage zu zeigen – und wie wichtig das für Opfer ist.  

Mehr zur Initiative: https://www.telekom.com/de/konzern/themenspecials/gegen-hass-im-netz 

 


Mehr Inhalte aus den Vorträgen auf dem 1. Screenforce-Expertenforum 2024 gibt es auf der Screenforce-Website.